Gunthers Herkunft, Jugendzeit und Vorleben

Nach verlässlichen, zeitgenössischen Quellen entstammte Gunther einem hohen, thüringischen Adelsgeschlechte und wurde um das Jahr 955 geboren ... Über Gunthers Jugend stehen uns keinerlei Quellen zur Verfügung. Wir können nach damaliger Zeit und Sitte nur schließen, dass er als junger Edelmann eine ritterlich-standesgemäße, wehrhafte Erziehung und Ausbildung genoss ...  Auch über Gunthers Vorleben erfahren wir sehr wenig aus zeitgenössischen Quellen. Und die Chronisten der späteren Zeit schweigen fast ganz darüber. Wolfher mach in abstrakter Weise nur einige allgemeine Andeutungen von "Jugendfehlern und Irrwegen seines Lebens", und von seiner "Konversion". Arnold wird im 2. Kapitel seines "Emmeramlebens" schon etwas deutlicher, er spricht bereits in konkreter Form von Gunthers Standesdünkel und Hochmut, von der Einbildung auf seinen Reichtum, aber auch von seiner späteren freiwilligen Armut und Entbehrung, besonders im strengen Winter des Jahres 1012 in seiner Rinchnach-Klause, wo er für die früheren Jagd- und Tafelfreuden büßt, wo er anstatt der duftenden Kuchen und gebratenen Kitzschultern, des gewürzten Eber- und Bärenfleisches, der feinschmeckenden Pfauen und Fasane - und des ausgesuchten Weines nchts als gekochte Wurzeln und Kräuter zum Essen und Wasser zum Trinken hat ... Mancher ließ sich vielleicht auch durch die Worte des bildungsstolzen Sachsenmönches Tamno irreführen, die uns Arnold aufbewahrt hat: "Wer ist Gunther und was ist er? Ein unwissender Laie, dessen Leben mit Recht verachtet wird" ... Vor seinem Eintritt ins Kloster aber war Gunther nicht besser und nicht schlechter wie soviele seiner adeligen Standesgenossen aus der damaligen Zeit ... In der Welt und nach außen hin musste Gunthers Ansehen groß gewesen sein. Denn Heinrich II. und Konrad II. setzten großes Vertrauen auf ihn, wie wir noch hören werden, und Heinrich III. nennt ihn geradezu seinen vertrauten Freund.
Nach dem Niederaltaicher Memoriale war er mit Kaiser Heinrich II. und durch dessen Schwester Gisela, die König Stefan von Ungarn heiratete, sogar mit dem Ungarnkönig verwandt. Aus dieser Verwandtschaft heraus lässt sich das lebhafte Interesse erklären, das Kaiser Heinrich II. und König Stephan von Ungarn auch späterhin noch für die Person des Mönches Gunther und seine Unternehmungen zeigten. Doch ist es bisher nicht gelungen, dieses Verwandtschaftsverhältnis näher aufzuklären.

 

Gunthers Eintritt ins Kloster

Dass der Klostereintritt eines so hochgestellten und angesehenen Mannes in Deutschland berechtigtes Aufsehen hervorrief, lässt sich wohl verstehen. Was aber bewog Gunther, Gott im Ordensstande dienen zu wollen und zu diesem Zwecke nicht nur die „Gebote“ Gottes, sondern auch die drei „evangelischen Räte“ der freiwilligen Armut, der Ehelosigkeit und des ständigen Gehorsams unter einem geistlichen Oberen auf sich zu nehmen? Dafür waren innere und äußere Umstände maßgebend.
Nach den Sturm- und Drangjahren einer der Welt und ihren Freuden zugewandten Jugend mochte auch ihm das Leben nicht gehalten haben, was es versprach. „Aufmerksam betrachtete er nun den Wert seines bisherigen Tuns.“ (Wolfher). Es gab so manche Täuschung und Enttäuschung. Der Becher der Lust barg auch für ihn auf seinem Grunde nur bittere Hefe, je mehr er daraus trank. Das verdross ihn, und die Eitelkeit der Welt wurde ihm im reifen Mannesalter mit jedem Tage klarer und verständlicher ...
Ein weiterer Grund war folgender: in der damaligen Zeit, um die Jahrtausendwende, griff wieder wie schon einmal in den ersten Jahrhunderten der Kirche eine eschatologische Bewegung um sich. Im falschen Verständnis einer Stelle der Geheimen Offenbarung des Johannes vom „1000jährigen Reich“ Christi auf Erden (d.i. von der Kirche Christi) und von der „ersten Auferstehung“ der Menschen (d.i. durch die Gnade Christi) erwartete man auch um das Jahr 1000 wieder den Weltuntergang und das Weltgericht ...
Dazu kam schließlich noch der Tod seines Bruders Sizzo vor 1005. Seine Pflichten als Klostervogt von Hersfeld brachten ihn ferner mit St. Godehard zusammen, der nach dem Tode des alten Abtes Bernharius am 16. Juli 1005 von dem reformfreudigen Kaiser Heinrich II. als Abt von Hersfeld ernannt und im gleichen Jahre vom Mainzer Bischof Willigis eingeführt wurde. Diesem Manne öffnete Gunther Herz und Seele. Der Verkehr mit dem heiligen Reformabte wurde ausschlaggebend für seine neue Gesinnung. Godehard selbst erkannte eine herrliche Perle in Gunther und scheute keine Mühe, sie ihrer gänzlichen Reinigung zuzuführen. Er nahm sich in aller Liebe und Geduld des reuigen Büßers an, und seinen Bemühungen gelang es, aus dem reichen, übermütigen Edelmanne Thüringens einen heiligen Mönch des Benediktinerordens, ja einen der hervorragendsten einflussreichsten Männer seiner Zeit zu machen ...
Am Weihnachtstage des Jahres 1005 widmete er zu Wallhausen ... mit Einwilligung seiner Verwandten einen Teil seines reichen Erbes dem Wigbertus-Kloster zu Hersfeld a. d. Fulda ... Vor der Übergabe von Wallhausen machte Gunther einen testamentarischen Vorbehalt für sich, nämlich dass er als Mönch einmal im Kloster Göllingen für sich und die Brüder dort schalten und walten könne. Godehard war wegen dieses geistlichen Vorbehalts tief besorgt, weil er ganz gegen die Benediktinerregel war und daher dem Ordensneuling gefährlich werden konnte. Als nun Gunther mit Beginn des Jahres 1006 wirklich an die Pforte von Hersfeld klopfte und um Aufnahme ins Kloster bat, da verschob der kluge und menschenkundige Abt, um seinen Schüler nicht vor den Kopf zu stoßen und ihm zur richtigen Erkenntnis und zu einem freiwilligen Verzicht Zeit zu lassen, zunächst den Eintritt ins Kloster. Aber er nahm ihn mit nach Nieder-Altaich, damit er vorerst als Laie Gott im weltlichen Gewand dienen lerne.


Gunther im Kloster Niederaltaich

... Als Gunther im Jahre 1006 mit Godehard hier angekommen war, stand das Ordensleben in hoher Blüte. Es war ganz im Geiste der strengen Ordensreform von Cluny geleitet ... Die Clunyacenser Mönche hielten nicht nur strengste Klosterzucht, sondern wirkten auch religiös-kulturell, wo immer sie konnten. Sie arbeiteten körperlich an der Urbarmachung des Bodens und geistig sowohl in der Ausbreitun gder christlichen Lehre als auch in der Pflege von Kunst (Bildhauerei, Malerei, Baukunst) und Wissenschaft (Medizin, Mathematik, Philosophie, Musik und Literatur) ... Gunther wurde von dem in Nieder-Altaich herrschenden Reform- und Bußgeiste so ergriffen, dass er noch vor Antritt seiner Probezeit den Abt um Erlaubnis bat, eine Wallfahrt nach Rom machen zu dürfen, um sich dort seinen inneren Frieden sowie Kraft und Segen für seinen neuen Beruf an den Apostelgräbern von Gott zu erbitten.
Gerne gab Godehard seine Zustimmung, - „quo permittente it et redit“, erzählt Wolfher in klassischer Kürze. Noch im gleichen Jahr aus Rom zurückgekehrt, vollendete er nun seine geistliche Noviziatszeit. Bei der Einkleidung (professio tacita) empfing er Tonsur und Kleid des heiligen Benedikt; darauf legte er nicht nur die drei Gelübde der Armut, Jungfräulichkeit und des Gehorsams ab, sondern auch noch das bei den Benediktinern übliche Gelübde der Ortsbeständigkeit, wodurch er an die Ordenfamilie des heiligen Benedikt und an das Ordenshaus von Nieder-Altaich gebunden und sozusagen dorthin zuständig war, selbst wenn er von seinem Ordensabte anderswohin beauftragt oder beurlaubt wurde.
Nach seiner Gelübdeablegung (professio effectiva) galt es nun, die guten Vorsätze auch im Feuer der Versuchungen zu härten. Diese ließen nicht lange auf sich warten. Nur zu bald tauchte bei Günther wieder der Wunsch auf, von seinem testamentarischen Vorbehalte Gebrauch zu machen und in seine thüringische Heimat zurückzukehren. Schweren Herzens und mit Äußerung seiner Bedenken gestatte es der tiefbesorgte Abt, der die Fruchtlosigkeit einer direkten Weigerung einsah und den ehrlichen Kämpfer nicht durch fortwährende Widersprüche mutlos machen wollte ... Nun kam wieder ein Rückschlag für Gunther, der gegen Armut und Mühseligkeiten noch nicht genug abgehärtet war. Allerlei innere Konflikte und Seelenzweifel, ob er auch immer recht gegen sich und seine Brüder in Göllingen verfahre, widerwärtige Erfahrungen und Verdrießlichkeiten und Unzukömmlichkeiten, wie sie das Leben des Alltags und die Berührung mit der Welt eben mit sich brachten, ließen ihn nur selbst zu bald erkennen, dass er nicht am richtigen Platze und am rechten Wege sei, ließen ihn („paupertatis et laboris insolens“) wankelmütig und unzufrieden mit sich werden. Nun ging ihm auch der Sinn für die Worte auf, die St. Benedikt gleich zum Beginn seiner Regel setzte: „Ausculta, o fili“, das heißt: „Horch auf“, gehorche vor allem! ...
Als die Schwierigkeiten gar kein Ende nehmen und die häufigen Erörterungen für beide Männer immer peinlicher wurden, da stellte ihn Godehard kurz vor die Entscheidung: „entweder allen Ernstes Gott im versprochenen Gehorsam zu dienen – oder das Ordenskleid abzulegen und in die Welt zurückzukehren“ ...
Zutiefst erschüttert und überzeugt, „dass wir nur durch Prüfungen eingehen in Gottes Reich“, entsagte Günther seinem testamentarischen Vorbehalt und kehre nach Nieder-Altaich zurück. Hier fand er endlich den Frieden seiner Seele und wurde nun das Muster eines tugendsamen Mönches.

 

Gunther als Einsiedel

Nach zahlreichen Proben echter und rechter Mönchsgesinnung, die das Augenmerk und die Bewunderung seiner Mitbrüder in Nieder-Altaich auf sich zog, fasste Gunther den Entschluss, die höchste Stufe der Mönchstugenden zu erklettern und sich auch aus der Reihe seiner Brüder ins Eremitenleben zurückzuziehen.
Nachdem er von seinem Abte die Erlaubnis dazu erbeten und erhalten hatte, verließ er Nieder-Altaich im Jahre 1008 und begab sich auf den ca. 4 – 5 Stunden von seinem Mutterkloster entfernten Ranzingerberg (bei Lalling, Bezirksamt Deggendorf), wo er seine erste Klause aufschlug. Hier verbrachte er die erste Zeit seiner Einsiedelei in Bußübungen, Gebet und Arbeit (mit Hacke, Haue und Stechscheit). Die Sonntage feierte er wahrscheinlich noch in Nieder-Altaich, wo er sich dann vermutlich immer auch seinen Wochenbedarf an Lebensmitteln mitnahm. Aber nicht lange weilte er hier. Nach drei Jahren schon vertrieben ihn von hier die häufigen Besuche der Leute aus der Umgegend, welche aus Neugierde und Bewunderung kamen oder um ihre Anliegen seinen frommen Gebeten zu empfehlen und sich Ratschläge von ihm einzuholen.
Neuerdings um seine Seelenruhe fürchtend zog sich der demütige Mann im Jahre 1011 noch tiefer in den Nordwald (nördlich von der Donau) zurück. Hier schlug er seine zweite Klause auf und war zuerst wohl wegen der günstigen Einsiedelbedingungen (Wasser, Felsenschutz und einsame Lage) auf dem zirka eine Stunde von der jetzigen Probstei Rinchnach entfernten Gehmannsberg, wo jetzt ein Kirchlein am so genannten Frauenbrünnl oder Güntherbrünnl steht; dann aber, nach den harten Mühseligkeiten und Verpflegungsschwierigkeiten eines überaus strengen Winters im Jahre 1011/1012 in dem von Bergen ringsum geschützten Tale der Rinchnach.
Der Ruf von Gunthers hartem Bußleben und von den überstandenen Winterbeschwerden führte bald weltflüchtige Laien, Mönche und Weltpriester herbei, welche seine Schüler werden und unter seiner Leitung ein gemeinsames asketisches Leben in der Waldeinsamkeit hier führen wollten. Günter erblickte in diesen Ereignissen der glücklich überstandenen Winterstrapazen, der neu angekommenen Schüler und der für einen Brüderkonvent so günstigen Lage und Bodenbeschaffenheit einen Wink der göttlichen Vorsehung, seine persönliche Abgeschlossenheit aufzugeben und mit den Ankömmlingen eine Vereinigung nach der Regel des heiligen Benedikt zu bilden, mit Einzelklausen (Zellen), aber mit gemeinsamen Gottesdienst, Chorgebet, geistlichen Übungen, Handarbeiten und Mahlzeiten. So entstand der Klosterkonvent von Rinchnach unter Gunthers Leitung. Im Einvernehmen mit seiner geistlichen und weltlichen Obrigkeit (Kaiser Heinrich II. und des Abtes Godehard) begann Gunther mit seinen Mönchen nun eine rege Kultivierungstätigkeit in Rinchnach. (Non otiosus heremita colere coepit ... heißt es in Heinrichs II. Schenkungsurkunde vom Jahre 1040). Bäume wurden gefällt, Zellen gebaut, das gerodete Land angebaut; der Urwald in Rinchnach begann sich zu lichten – im religiösen und kulturellen Sinne ...
Im Hinblick auf den Wüstenprediger Johannes B. und Wegbereiter des Herrn errichtete er daher ein Kirchlein bei der Rinchnacher Niederlassung, das der Passauer Bischof Berengar im Jahre 1019 zu Ehren des siegreichen Kreuzes, der heiligen Gottesmutter Maria und des heiligen Wüstenpredigers Johannes B. einweihte. Obzwar nicht Priester, waltete Gunther als Vorstand der neuen klösterlichen Gemeinde in Rinchnach, indem er den anderen auf dem Wege der Vollkommenheit voranleuchtete und selbst mit festem Schritt als Führer und Lehrmeister voranging.
Im Lauf eines Jahrzehnts ungefähr hatte Gunther den Grund zur Rinchnacher Siedelung und zum späteren Priorat Rinchnach gelegt, das 1040 dem Kloster Nieder-Altaich als Probstei einverleibt wurde.

 

Der Gunthersteig

Das Klösterchen Rinchnach sollte augenscheinlich dem Zwecke dienen, erstens eine Pflanzschule eifriger, abgehärteter und an Entsagung gewöhnter Glaubensboten für die östlichen Länder (Böhmen, Polen, Ungarn) zu werden. Zweitens sollte es wohl der feste Ausgangspunkt einer Verbindung zwischen Bayern bzw. zwischen Deutschland und Böhmen werden und schließlich denjenigen als Herberge dienen, welche durch den furchtbaren Nordwald reisen mussten. Um vor allem die Verbindung zwischen dem einsamen Bergland und dem Flachlande zu beiden Seiten des Böhmerwaldes herzustellen und so zur kulturellen Hebung seines Pflanzgebietes beizutragen, begann Gunther um das Jahr 1029 in jahrelanger, mühevoller Arbeit mit seinen Genossen, eine Säumerstraße durch den Böhmerwald zu legen, die nach ihm Gunthersteig (fälschlich auch als goldener Steig oder Böhmerstraße) benannt wurde ... Mehr als 20 Jahre mochte Gunther mit seinen Mönchen und Siedlern an der Rodung und Durchforstung dieses Böhmerwaldterritoriums gearbeitet haben. Um Gunthers verdienstvolle Pionierarbeit der Kultivierung und Christianisierung des böhmisch-bayerischen Waldgebietes zu fördern, dotierte auch Kaiser Heinrich III. (1039-1056) die junge Pflanzung von Rinchnach noch reichlicher und handelte damit ganz im Sinne Kaiser Karls des Großen und seiner Nordmarkgründung „Cella apud Chambe“ (Chammünster) sowie in der Absicht Kaiser Heinrichs II. und seiner Bamberger Bistumsgründung im Jahre 1007 als auch seiner Schenkung an das Kloster Niedernburg in Passau im Jahre 1010, nämlich: Anbahnung der vollständigen Christianisierung und deutschen Kultivierung dieses Grenzgebietes als natürlichen Schutzwall gegen die slavischen Nachbarn (siehe Aigner).

 

Gunther weitere Tätigkeit

Je mehr Gunther seine Tätigkeit auf das Gebiet des Nordwaldes und weiter darüber hinaus ausdehnte, desto mehr wuchs auch sein Ruf und Ansehen. Nicht umsonst hatte er seinen Sitz an die Grenze seines deutschen Vaterlandes nach Rinchnach verlegt; denn trotz seines asketischen Waldlebens war er auch nach außen hin noch tätig, und diese Tätigkeit führte ihn bald nach Böhmen, bald nach Ungarn und zu den wendischen Liutizzen nach Mecklenburg. Zu den letzteren begab sich Gunther über Aufforderung Kaiser Heinrichs II. auf der Magdeburger Hoftagung im Feber 1017 als Glaubensbote. Aber so sehr ihn seine bisherigen Erfahrungen und seine slavischen Sprachkenntnisse zu dieser heiligen Sendung auch befähigten, so wenig Glück hatte er, diese Nordslaven für den christlichen Glauben zu gewinnen ...
Bessere Erfolge hatte er in Ungarn. Dorthin kam er von Böhmen aus in der Zeit 1019 – 1024 öfter und nach wiederholter Einladung des heiligen Königs Stephan und seiner Gemahlin Gisela, einer bayerischen Prinzessin und Schwester Kiaser Heinrichs II. Dort ging er dem König in der Errichtung von Krankenhäusern, Kirchen und Klöstern an die Hand und erwirkte wahrscheinlich die Errichtung des Kloster Bel im Bakonyerwald.
Gunthers Beziehungen zu Böhmen waren an und für sich schon gegeben mit der Errichtung des Bistums Bamberg im Jahre 1007 durch Kaiser Heinrich II. („ut Sclavorum paganismus destrueretur“), damit das dortige Heidentum ausgerottet werde ... Als nun Kaiser Konrad im Jahre 1034 zu Regensburg Ostern feierte, da beschied der Kaiser den verbannten Herzog Udalrich dorthin und gab ihm auf Gunthers Bitten sein Herzogtum Böhmen zurück.
Als nun Břetislav nach dem Tode seines Vaters 1037 die vollständige Regierung Böhmens und Mährens übernahm, da machte er sich bei Kaiser Heinrich III. durch seine national-kirchlichen und national-politischen Bestrebungen missliebig, und als er nun gar noch nach einem siegreichen Feldzuge gegen Kasimir von Polen im Jahre 1039 die Reliquien des heiligen Adalbert aus Gnesen gewaltsam nach Prag entführte und sich sträubte, den vereinbarten jährlichen Tribut von 120 Ochsen und 500 Mark Silber an den deutschen Kaiser zu zahlen, sowie Böhmen und Mähren vom Kaiser zum Lehen zu nehmen, da kam es zum Kriege zwischen beiden. Selbst ein Dazwischentreten Gunthers bzw. selbst eine von Gunther an den kaiserlichen Hof nach Augsburg im Jahre 1039 geführte böhmische Gesandtschaft konnte den Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Kaiser Heinrich III. rückte am 22. August 1040 mit zwei Heeren gegen Böhmen vor; und zwar mit einem Westheere von Bayern her durch das Chamtal über Furth, Eschlkam, Neumark und Neugedein und mit einem Hordheere von Sachsen aus über Dohna nach Nordböhmen. Auf der so genannten Kampfheide bei Neumark kam es zu einer erbitterten Schlacht, in deren Verlaufe Heinrichs Westheer geschlagen wurde und flüchtete ... Im nächsten Jahre aber machte Heinrich diese Niederlage wett, kam mit einem neuen Heere nach Böhmen und drang bis Prag vor. Gunther vermittelte nun den Frieden zwischen Břetislav und Heinrich und zog sich dann um 1040/41 wieder in seinen Nordwald zurück, diesmal bei Hartmanitz-Gutwasser in Böhmen und nach Maurenzen im Widratale (dritte Klause und Einsiedelei Gunthers im Nordwalde). Von da soll er sogar bis Schihowetz-Rabi (zwischen Schüttenhofen und Horaschdowitz) gekommen sein.

 

Gunthers Tod

Hier in seiner dritten Klause am Guntherberge bei Gutwasser-Hartmanitz und am Maurenzner Berg bracht Gunther mehr als ein Jahrfünft seines Lebens zu. Als die Mönche des Klosters Břevnov bei Prag seinen Aufenthalt erfuhren, suchten sie ihn sogleich auf. Und als im gleichen Jahre 1040 ihr Abt Arsenius starb, ersuchten sie ihn, den nun 85jährigen, als Abt die Leitung ihres Kosters zu übernehmen, was Gunther jedoch entschieden abschlug. Gunther blieb in seiner letzten Böhmerwaldklause und starb hier am 9. Oktober 1045 im Alter von 90 Jahren, nachdem ihn Břetislav mit dem Prager Bischof Severus noch zuvor versehen hatte. Was Piter in seiner unkritischen Gunthervita „Thesaurus absconditus“ über Gunther und die Hirschkuh sowie Gunthers Tod berichtet, kann nur als fromme Legende gewertet werden. Gunthers heiliger Leichnam wurde auf Anordnung Břetislavs in das Kloster Prag-Břevnov überführt und dort unter dem Altare de heiligen Stephanus beigesetzt. In den Hussitenstürmen gingen seine Reliquien verloren. Nur ein Grabstein an der Břevnov-Kirche erinnert heute noch an seine dortige Beisetzung.
Wegen seines heiligen Lebenswandels und der vielen Wunder und Gebetserhörungen, die am Orte seiner Beisetzung, sowie am Orte seines Sterbens geschahen, wurde Gunther vom Volke frühzeitig als Heiliger verehrt. Der Böhmenkönig Přemysl Ottokar II. betrieb seine Heiligsprechung bei Papst Alexander IV (1254-1261), welche aber nicht zu Ende geführt wurde. Doch wurde die Verehrung des heiligen Gunther von der Kirche stillschweigend bis heute geduldet und sogar mit Ablässen versehen. Die Benediktiner Böhmens und Mährens feiern heute noch das Guntherfest am 9. Oktober als Duplex festum II. Klasse, die bayerischen Benediktiner in Rinchnach und Nieder-Altaich aber als Festum I. Klasse im Officium der heiligen Messe und des Brevieres. Im Passauer Kirchenkalender wird Gunther als Heiliger geführt.
Abgebildet ist Gunther meistens mit Haue oder Stechscheit, dem Symbol der Einsiedler-Kulturanten. Gunthers Verdienste ... sind heute unbestritten, und sein Andenken bleibt in Ehren bei Gott und den Menschen.


Aus:  Schwarzmeier, Josef: Günther von Thüringen, der heilige Klausner und Nationalpatron des Böhmerwaldes. Winterberg, 1940. - 32 Seiten

Auslassungen sind durch ... gekennzeichnet.

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